TEIL 1 DER SERIE „WO ICH HINGEHÖRE"
Horch-Gefühle am Millstätter See
Angekommen am Kindheitsort, der über die Jahre zu meinem liebsten und teuersten Erinnerungsort wurde. Horchgefühl am wundervollen Millstätter See in Oberkärnten. Alle Sinne werden geschärft, um den gut 140 Meter tiefen, geheimnisvoll stillen und von allzu viel Tourismus glücklicherweise noch verschont gebliebenen See zu genießen.
Eintauchen ins Sinneserlebnis
Eintauchen mit Hochgenuss, das glasklare, noch immer ziemlich frische Wasser perlt an mir ab, eine halbe Stunde Schwimmen im Wasser lässt mich, wenn schon nicht neu geboren, dann zumindest revitalisiert fühlen. Gerade aus am Himmel ein stetig wechselndes Band von harmlosen Sommerwolken, der See eingerahmt vom eindrucksvollen Bergpanorama. Das Gehör genießt beständig mit. Welch natürliche, so unbewusst wie elementare Freude, das Wasser nicht nur zu spüren, sondern auch mit jedem Meter, jeder Bewegung zu vernehmen. Links von mir tauchen Stand-Up-Paddler ihre Stech-Paddel in das Nass. Ich höre sie gut, obwohl sie 30 Meter entfernt sind, die Wasseroberfläche gibt den Schall gut weiter. Über mir kreischt eine Seemöwe, die langsam auch am Millstätter See heimisch zu werden scheinen.

Ansprache des Windes
Am Ufer lässt sich dann die Seele unter einem Baum gut auslüften. Sanfter Sommerwind fährt durch den Blätterschirm über mir. Ein vertrautes Geräusch, das der Städter leider nicht mehr allzu oft hört. Leises Rascheln, das einem die Natur ganz nahe kommen lässt. Die Augen schließe ich, die Ohren mache ich ganz weit auf. Der Geist kommt zur Ruhe. Endlich. Plötzlich ein kleines Flugzeug über dem See, sein Pilot zieht entspannte Kreise über dem Gebiet, das sonore Brummen des Motors vermischt sich mit dem Plätschern des glasklaren Wassers. Ein Konzentrat aus Sommergefühlen.

Gratiskonzert aus der Ferne
Dann taucht ein Ausflugsdampfer auf, der Urlauber über den Millstätter See bringt. Es ist das größere Schiff, auf dem es immer wieder Live-Musik gibt – so auch heute. Ich höre eine Jazz-Sängerin, die von einem Klavier begleitet durchaus gekonnt ein Lied von Nina Simone singt. Ich darf für drei Minuten daran teilhaben, schließlich ist die „MS Kärnten“ zu weit weg, um die Musik noch lauschen zu können.

Aufgeregter Besuch trifft ein
Plötzlich unerwarteter Besuch: Zwei Schwäne, Männchen und Weibchen schauen vorbei, geben sich gut hörbar fauchend die Ehre. Ich muss grinsen ob ihrer Empörung: „Was machst Du denn da, der Platz gehört doch uns!“, scheinen sie mir mittelmäßig empört sagen zu wollen. Die Wellen des Dampfers schlagen gegen das Ufer. So viele Geräusche direkt aus der Natur, die mir mit jedem Lebensjahr, das ich ansammle, immer wichtiger wird. Offline sein, aufnehmen, wahrnehmen, darum geht es doch, nicht nur an Tagen wie diesen.

Der Berg ruft: Heast es nit?
Vom See geht es auf den Berg. Nicht weit entfernt ist der 2100 Meter hohe Mirnock, ein beliebtes Ziel für Wanderer inmitten des Nockgebietes: Weiter über dem Dörfchen Döbriach thront das malerisch gelegene Berggasthaus „Bergfried“, von dessen Terrasse man aus einen fantastischen Blick über den Großteil des gut elf Kilometer langen Sees hat. Es ist Nachmittag, die Sonne steht mittlerweile schon tiefer. Wind zieht über die Wiesen, wiegt das hohe Gras. In der Ferne höre ich etwas: War das ein Käuzchen? Ich lausche und staune wie ein kleines Kind, wie laut die Natur doch mit einem sprechen kann, wenn man nur zuhören kann und will. Der Wind kommt und geht, bis er sich schließlich zur Ruhe legt.

Geselliger Ausklang im Strandbad-Café
Nach so viel Natur steht mir der Sinn nach etwas Geselligkeit: Im Strandbad Dellach muss es ein guter Apfelstrudel und danach ein Gläschen Bier sein. Im Hintergrund dringt ein Kärntnerlied aus dem Radio. Ich muss schmunzeln. So viel sentimentale Wehmut und natürliche Lebensfreude in Gesang zu verpacken – das gelingt womöglich nur Kärntner Seelen und Kehlen. Die Sonne geht langsam unter. Während ich an meinem Bier nippe und im Hintergrund die Kaffeemaschine an der Schank laut zischen höre, lausche ich ein wenig der einen oder anderen Unterhaltung der um mich sitzenden Gäste, natürlich mit aller gebotenen Diskretion. Ein nicht mehr ganz junger niederländischer Urlauber sagt beinahe ergriffen zu seiner Frau, wie glücklich sich ein Kärntner/Österreicher doch schätzen darf, noch so intakte Natur vor und um sich zu haben. Er hat so recht. Ich bin dankbar dafür, das alles aufnehmen und als Erinnerungsschatz nach Graz mitnehmen zu können. Ja, die Sinne nehmen auf, die Erinnerung zehrt davon – und ich freue mich auf das nächste Horchgefühl am Millstätter See.

Über den Autor
Thomas Golser ist langjähriger Redakteur der Kleinen Zeitung Graz und dort in leitender Funktion für die internationale Chronik und die Außenpolitik zuständig. Bis heute ist für den Wahlsteirer seine frühere Heimat rund um den Oberkärntner Millstätter See ein besonderer Rückzugsort.

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